
Das Justizministerium (BMJ) hat einen relevanten Erlass geändert. Es wurde eine wichtige Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck (OLG Innsbruck) ausgehoben. Der ÖSB hat in einem Schreiben an die Justizministerin vom Oktober 2025 seine Forderung nach Änderung der relevanten Gesetze bekräftigt. Im Folgenden wird zunächst auf die Entscheidung des OLG Innsbruck, dann auf den sogenannten Nomenklatur-Erlass des BMJ und schließlich auf den Brief an die Justizministerin eingegangen.
OLG Innsbruck: Bezahlung der Schriftdolmetscher:innen durch das Gericht
Wie im Artikel von Gudrun Amtmann in der Sprach-Rohr-Ausgabe 4.25 (Seiten 42-43) nachzulesen, erhielt trans.SCRIPT Austria im ersten Halbjahr 2025 erstmals eine klare Entscheidung, dass das Honorar für die Unterstützung einer schwerhörigen Person in einer gerichtlichen Verhandlung vom Gericht (also dem Bund) übernommen wird (also nicht von der schwerhörigen Person selbst zu tragen ist). In seiner Begründung verweist das Gericht auf eine einschlägige Entscheidung des OLG Innsbruck vom 30. März 2022 mit der Zahl 5 R 4/22k (wie wir von Gudrun Amtmann erfahren haben). Da dieser Beschluss nicht in der allgemein zugänglichen online-Datenbank des Rechtsinformationssystems veröffentlicht war, wurde er beim OLG Innsbruck angefordert und auch - anonymisiert - übermittelt.
Im Ausgangsverfahren handelte es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit. Wegen der Höhe des vom Erstgericht zugesprochenen Honorars wandte sich eine eingesetzte Schriftdolmetscherin an die nächste Instanz, das OLG Innsbruck. In seiner Entscheidung 5 R 4/22k hält das OLG Innsbruck fest: „Soweit überblickbar unterliegt das Schriftdolmetschen bislang überhaupt keiner bundesgesetzlichen Regelung.“ Auf Landesebene würden zwei Gesetze zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben Zuschüsse für das Schriftdolmetschen in ausgewählten Bereichen gewähren[1]. Nach der Begriffsdefinition des Tiroler Teilhabegesetzes würde „beim Schriftdolmetsch von der gesprochenen Sprache (Deutsch) in die Zielsprache (schriftliches Deutsch) gedolmetscht, um die Verständigung zwischen Menschen mit Hörbehinderung und Menschen ohne Hörbehinderung sicherzustellen.“ Für das OLG ist klar, dass Schriftdolmetschen eine Dolmetschleistung ist, auch wenn „beim Schriftdolmetschen keine Übersetzung in eine andere Sprache“ stattfindet. Die im Verfahren relevante Zivilprozessordnung sehe (jedoch) zur Unterstützung von gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Menschen nur den Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher:innen vor (§ 73 a ZPO). Wenn die Gebärdensprache jedoch nicht beherrscht werde, könne nur das Schriftdolmetschen die Verständigung sicherstellen, damit die gehörlose oder schwer hörbehinderte Person dem gerichtlichen Verfahren folgen und insbesondere auf mündlich gestellte Fragen des Gerichts antworten kann. Daher sei § 73 a ZPO in gleichheitskonformer Interpretation auch für Schriftdolmetscher:innen anzuwenden. Die Berechnung und Auszahlung der Gebühren (d.h. des Honorars) habe nach dem Gebührenanspruchsgesetz zu erfolgen.
Nomenklatur-Erlass 2025: Schriftdolmetschen erstmals erwähnt
Dieser Erlass des BMJ zählt u.a. die Sprachen auf, für die Dolmetscher:innen am Gericht eingesetzt werden. Darunter findet sich auch die Gebärdensprache. Seit der Novellierung im Juli 2025 wird auch
auf das „Thema ‚Schriftdolmetschen‘“ eingegangen. Es wird erklärt, was Schriftdolmetschen ist - und wer es braucht: „Schriftdolmetschen wird hauptsächlich von Personen mit Hörbarriere in Anspruch genommen (z.B. schwerhörige, ertaubte und gehörlose Personen).“ Der Erlass verwehrt aber Schriftdolmetscher:innen, die nur innerhalb einer Sprache arbeiten, also z.B. von deutscher Sprache in deutsche Schrift übertragen (wie es ja bei Schwerhörigen in Österreich der Regelfall ist), sich in die sogenannte Sachverständigen- und Gerichtsdolmetscher:innenliste (SDG-Liste) eintragen zu lassen. Das heißt u.a., dass sie in der online geführten SDG-Liste nicht aufscheinen, vor jedem Einsatz bei Gericht zu vereidigen sind und auch beim Einlass in das Gerichtsgebäude anderen Sicherheitskontrollen unterliegen.
ÖSB-Brief an die Frau Bundesministerin für Justiz Dr.in Anna Sporrer
In seinem Schreiben vom Oktober 2025 bekräftigte der ÖSB die Notwendigkeit von Gesetzesnovellierungen. Das Schriftdolmetschen muss Eingang in die Gesetze (wie z.B. die Zivilprozessordnung und die Strafprozessordnung) finden, um den Einsatz von Schriftdolmetscher:innen für alle Verfahrensparteien sicherzustellen, die anders nicht der Gerichtsverhandlung folgen können. Eindeutige gesetzliche Regelungen sind eine wichtige Ermutigung für die Betroffenen, vom Gericht die Beistellung von Schriftdolmetscher:innen und deren Bezahlung durch das Gericht einzufordern. Der hörbehinderten Person muss ein Wahlrecht zustehen, welcher Kommunikationshilfe sie zur Verständigung mit dem Gericht bedarf. Damit würde auch der Zugang zum Gericht im Sinne Artikel 13 der UN-Behindertenkonvention verbessert werden.
Bis zum Tätigwerden des Gesetzgebers können jedoch Betroffene jedenfalls auf den Gleichheitsgrundsatz und gute Präzedenzfälle, wie den oben erwähnten OLG-Beschluss verweisen.
Kurzgefasst:
- Das Oberlandesgericht Innsbruck bestätigte schon 2022, dass die Kosten der Schriftdolmetschung für eine hörbehinderte Verfahrenspartei vom Gericht (vom Bund) zu übernehmen sind. § 73a Zivilprozessordnung (Gebärdensprachdolmetschung in der Gerichtsverhandlung und zur Kommunikation mit der Rechtsvertretung) ist hier im Sinne der Gleichbehandlung analog anzuwenden.
- Der Erlass des Justizministeriums vom Juli (Nomenklatur-Erlass 2025) erwähnt erstmals das Thema Schriftdolmetschung, aber bringt keine Gleichbehandlung von Schriftdolmetscher:innen mit Gebärdensprachdolmetscher:innen.
- Der ÖSB fordert die explizite Aufnahme des Schriftdolmetschens in die Verfahrensgesetze bzw. in die Erläuterungen. Ein diesbezügliches Schreiben ging im Oktober 2025 an BM Dr.in Anna Sporrer.
________________________________
[1] Siehe § 7 Tiroler Teilhabegesetz und das Stmk. Behindertengesetz samt zugehöriger Leistungs- und Entgeltverordnung (§ 8).
* Beitrag von Dr.in Marlies Meyer / ÖSB