Quelle: vom 18.1.12 http://www.orf.at/stories/2100062/2100030/
Die Zahl der Fußgänger, die ihren Kopfhörern lauschend von Autos oder Zügen erfasst werden, hat sich in den letzten sechs Jahren mehr als verdreifacht. Die meisten Unfallopfer sind junge Männer und Teenager. Das geht aus einer neuen Studie der University of Maryland School of Medicine in Baltimore hervor.
Häufig können Fußgänger die Hupgeräusche von Autos und Zügen nicht hören, wobei die Opfer in fast drei Viertel der Fälle ihren Verletzungen erliegen. Jeder ist sich des Risikos bewusst, das der Gebrauch von Mobiltelefonen oder das Verfassen von Textmitteilungen im Straßenverkehr mit sich bringt. Trotzdem sieht man immer mehr Teenager, die sich Kopfhörer tragend mit ihrem neuesten Gerät beschäftigen und abgelenkt sind, so Hauptverfasser Richard Lichenstein. Da wir immer verlockendere Geräte entwickeln, steigt auch das Risiko von Unfällen, die auf Ablenkung und ausgeblendete Umgebungsgeräusche zurückzuführen sind.
Viele Unfälle tödlich
Die US-Wissenschaftler überprüften insgesamt 116 Unfälle aus den Jahren 2004 bis 2011, bei denen Fußgänger nachweislich von Kopfhörern Gebrauch machten. 70 Prozent der Unfälle endeten für den Fußgänger tödlich. Mehr als zwei Drittel aller Unfallopfer waren männlich (68 Prozent) und unter 30 Jahre alt (67 Prozent). Die über die Jahre gestiegene Unfallhäufigkeit geht demnach mit der steigenden Beliebtheit von MP3-Player, iPod und Co. einher.
Ablenkung und Deprivation
Lichenstein und seine Kollegen weisen auf zwei Unfallursachen hin: Die durch elektronische Geräte verursachte Ablenkung, auch als Unaufmerksamkeitsblindheit“ bezeichnet, wobei es durch multiple Stimulation zu einer Einschränkung der mentalen Verarbeitungskapazität des Gehirns kommt. Dazu kommt die sensorische Deprivation - die Fähigkeit des Fußgängers, das Warnsignal eines Zuges oder Fahrzeuges wahrzunehmen, wird durch die Geräusche des tragbaren elektronischen Geräts und durch den Kopfhörer eingeschränkt.
Diese Meinung wird auch von vielen Verkehrsexperten geteilt: Diese Studie zeigt wieder einmal die Wichtigkeit, alle Sinne zu nutzen, während wir am Straßenverkehr teilnehmen, meinte Floor Lieshout vom britischen Youth For Road Safety in der Huffington Post und sprach von einem störenden Trend durch die Kopfhörer. Sein Kollege Andrew Howard fügt hinzu, einige Fußgänger seien so gefangen in ihrer kleinen Blase, dass sie die Welt vergessen, die sich um sie dreht.
Deutschland: Augen und Ohren auf
Auch in Deutschland ist kürzlich die Diskussion über Kopfhörernutzung im Straßenverkehr entflammt. Viele Fußgänger seien zunehmend abgelenkt, sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) der Saarbrücker Zeitung. Mit lauter Musik oder dem Handy in den Ohren schlafwandeln sie über Straßen und Bahnsteige, kritisierte der Minister. Deswegen könnten sie herannahende Autos, Radfahrer oder Bahnen nicht hören. Es gelte Augen und Ohren auf, und er appellierte, auf Kopfhörer und MP3-Player im Straßenverkehr zu verzichten. Von einem Verbot ist aber auch unser Nachbarland noch weit entfernt.